NDR: Drei-Stufen-Tests "in allen Belangen unzureichend"
Das vom Norddeutschen Rundfunk am 18. Juni 2009 veröffentlichte Konzept für seine neuen und veränderten Telemedienangebote ist als Grundlage für die Durchführung des vom Gesetzgeber geforderten Drei-Stufen-Tests in allen Belangen unzureichend. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine von den privaten Radioanbietern Norddeutschlands gemeinsam in Auftrag gegebene Stellungnahme der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft.
Das vom NDR vorgelegte Telemedienkonzept sei inhaltlich zu unbestimmt und mache eine ordnungsgemäße Beurteilung der bestehenden und geplanten Online-Angebote des NDR durch den für den Drei-Stufen-Test verantwortlichen NDR-Rundfunkrat unmöglich. Dies gelte für das gesamte Telemedienkonzept des NDR, insbesondere aber im Hinblick auf die lückenhafte Angebotsbeschreibung des geplanten Portals „NJOY XTRA“ und seiner mutmaßlichen Bestandteile.
Die Ergebnisse der vom Berliner Medien-Team der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH erarbeiteten Stellungnahme wurden am 18. August 2009 fristgemäß an den Vorsitzenden des Rundfunkrates des NDR, Herrn Dr. Karl-Heinz Kutz, übergeben. Der NDR-Rundfunkrat hatte mit lediglich acht Wochen auch nach Ansicht der Gutachter eine äußerst knappe Frist für das Einreichen von Stellungnahmen zu den bestehenden und geplanten Angeboten des NDR festgesetzt.
Neben der nicht sachgerechten Befristung bemängelt die Stellungnahme vorrangig die mangelnde Qualität und fehlende Präzision der vom NDR vorgelegten Konzepte und Angebotsbeschreibungen. Neben der inhaltlichen Unbestimmtheit des NDRTelemedienkonzepts insgesamt, würden insbesondere bei dem gesondert analysierten Portal N-JOY XTRA, nur sehr vage und allgemeine Aussagen zu Zielstellung, Positionierung und publizistischem Auftrag in dem Konzept enthalten sein. Die Stellungnahme der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH kommt zum Ergebnis, dass das Angebot N-JOY XTRA auf der Grundlage der bisherigen Ausführungen nicht abschließend beurteilt werden kann und insbesondere nicht dargelegt ist, ob und aus welchem Grund für die unter dem Portal vorgesehenen Inhalte das Bedürfnis einer Gebührenfinanzierung besteht. Auf dieser Grundlage kann der NDR-Rundfunkrat eine Entscheidung über das N-JOY XTRA nicht treffen.
Vor dem Hintergrund einer Gegenüberstellung mit bereits bestehenden privaten Online-Angeboten zeigt sich ferner, dass weder ein inhaltlich-publizistischer noch ein technischer Mehrwert erkennbar ist und somit zentrale Kriterien zum Bestehen des Drei-Stufen-Tests verfehlt werden. Zudem deutet der lediglich pauschal und auffällig gering bezifferte Finanzbedarf auf eine beabsichtigte Zweit- und Drittverwertung von Inhalten bestehender Angebote hin, was eine verdeckte Subventionierung des neuen Angebots nicht ausschließt.
Das NDR-Telemedienkonzept erwähnt zudem technische Applikationen wie Blogs, Communities und Ähnliches – Anwendungen, die zum Teil durch eine Negativliste im Rundfunkstaatsvertrag dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im nichtsendungsbegleitenden Kontext untersagt sind. Diese erhöhen die Negativeffekte auf die Angebote der privaten Wettbewerber, da so die Verweildauer auf den Webseiten von N-JOY XTRA zu Lasten nicht subventionierter Angebote ausgedehnt werden kann. Dieser Effekt wird durch die Verlinkung mit anderen ARD-Plattformen noch verstärkt. Der Markteintritt für neue private, kommerzielle Angebote sowie der Markterfolg bestehender Angebote werden somit drastisch erschwert. Die Stellungnahme der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft bemängelt insbesondere, dass verschiedene marktrelevante Teilangebote des NDR-Portalkonzeptes als gebündeltes Gesamtangebot beschrieben und einem einzigen Drei-Stufen-Test zugeführt werden. Geboten wäre hingegen, jedes unter dem Portal N-JOY XTRA vorgesehene Einzelangebot von wettbewerblicher Bedeutung im Rahmen eines
eigenständigen Drei-Stufen-Test zu prüfen. Hiervon umfasst seien insbesondere diverse Webradio-Projekte des NDR, die jeweils einzeln auf ihre Marktauswirkungen etc. untersucht werden müssten.
Durch diese Unzulänglichkeiten des Intendanten-Entwurfs besteht vor allem die Gefahr, dass argumentativ allein die Werbefreiheit des N-JOY XTRA Angebots zum alleinigen Differenzierungsmerkmal gegenüber den Angeboten der privaten Konkurrenz hervorgehoben wird. Dies trifft nicht nur die privaten Radioanbieter, die seit mehr als 20 Jahren erfolgreich am Markt bestehen und sich täglich den klassischen Herausforderungen der Marktwirtschaft stellen müssen, sondern natürlich auch alle anderen kommerziellen Online-Angebote Dritter. Die Stellungnahme kommt zu dem Ergebnis, dass das NDR-Telemedienkonzept in der gegenwärtigen Form unter anderem mangels Bestimmtheit nicht prüffähig und damit an den Intendanten zurückzuweisen ist.
Durch die gemeinsam in Auftrag gegebene Expertise beziehen alle privaten Radioanbieter Norddeutschlands erstmals außerhalb der VPRT-Aktivitäten gemeinsam Stellung. Angesichts der Menge an Angebotsvorhaben der öffentlichrechtlichen Rundfunkanbieter und der dadurch ausgelösten kostenintensiven und aufwendigen Begutachtung, sind die Lasten auf Seiten der kommerziellen Radioanbieter nur im Verbund zu bewältigen. Allein die Suche nach unabhängigen Gutachtern gestaltet sich schwierig, da diese bereits weitgehend durch Verträge mit öffentlich-rechtlichen Auftraggebern gebunden sind. Mit der gemeinsamen Initiative erhoffen sich die privaten Anbieter trotz der bereits vielfach kritisierten Intransparenz der Entscheidungsfindung über die Zulässigkeit der neuen Angebote in den sendereigenen Gremien der öffentlich-rechtlichen Veranstalter eine bessere und nachdrücklichere Berücksichtigung mit ihren Vorbehalten.
quelle:satnews